Nau Gaudí de Mataró
Die Nau Gaudí in Mataró ist das erste Werk des Architekten. Entstanden im Zusammenhang mit einem viel weitgreifenderen, ehrgeizigeren Projekt, ist das Gebäude heute das einzige bis auf unsere Tage erhaltene Zeugnis der zwischen 1878 und 1883 geplanten Werksanlage der Genossenschaft La Obrera Mataronense. Die damals von dieser Genossenschaft zum Bleichen von Baumwolle genutzte Halle darf als Ausgangspunkt für das kreative Schaffen Gaudís gelten und besticht durch die Experimentierfreudigkeit, mit der der Architekt hier den Parabelbogen zum ersten Mal als Strukturelement zum Einsatz bringt. Diese bauliche Lösung wird sich später als ein wesentliches und ausgesprochen repräsentatives Schlüsselelement im architektonischen Schaffen Gaudís erweisen.
Das im Jahr 2008 restaurierte Gebäude ist seit 2010 Sitz des Museums für zeitgenössische Kunst von Mataró und nimmt als solches die Sammlung Bassat sowie andere Ausstellungen des lokalen Kunstschaffens auf.
Das Projekt
In seinen Jugendjahren stand Antoni Gaudí in einer engen persönlichen wie beruflichen Beziehung zu Salvador Pagès, einem der bedeutendsten Vertreter der Genossenschaftsbewegung im Katalonien des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Dieser rührige Geschäftsmann war Gründer der Genossenschaft La Obrera Mataronense, eines ursprünglich in Gràcia, damals ein Vorort von Barcelona, entstandenen und 1874 dann nach Mataró verlegten Textilunternehmens.
Die Nähe Pagès’ zur Ideenwelt des utopischen Sozialismus brachte ihn dazu, dem jungen Gaudí den Entwurf eines ganzen Industriekomplexes anzuvertrauen, der wie eine kleine Stadt nach dem Modell der damaligen Arbeiterkolonien strukturiert sein und gleichzeitig auch soziale Einrichtungen und Wohnungen für die Genossenschaftsmitglieder umfassen sollte.
Die Arbeit an dem Projekt nahm Gaudí im Jahr 1878 auf, unmittelbar nach Abschluss seines Studiums an der Hochschule für Architektur von Barcelona, wobei der selbst aus Mataró stammende Architekt Emili Cabanyes eng in den Planungsprozess einbezogen wurde. Das Projekt umfasste zum einen die bereits vorher bestehenden Baulichkeiten und sah andererseits die Anlage eines Bereichs mit neuen Werkshallen, dreißig Einfamilienhäusern und einem Dienstleistungssektor mit Schule, Bibliothek, Klublokal und dem Verwaltungssitz der Genossenschaft vor.
Von der von Gaudí projektierten Baumasse kam nur ein kleiner Teil tatsächlich zur Ausführung: zwei Häuser, das des Direktors und das des Pförtners, eine Sanitäranlage und eine Halle zum Bleichen von Baumwolle. Von diesen 1883 errichteten Gebäuden blieben bis auf unsere Tage nur die beiden letztgenannten erhalten.
Die Bleichhalle
Das von Gaudí konzipierte Gebäude zeichnet sich durch eine große zweckbestimmte Schlichtheit aus. Bei dieser seiner ersten Annäherung an den Bereich der Industriearchitektur entwirft der Architekt eine große Halle mit 13 schlanken, tragfesten Parabelbögen, die ihrerseits von kleinen, mit Bolzen verbundenen Holzteilen nach dem Modell von Philibert de l’Orme dargestellt werden. Mit der Verwendung dieser Bögen gelingt es Gaudí, einen großzügigen, offen angelegten Raum mit nahezu 600 Quadratmetern zu schaffen, ohne diesbezüglich auf interne Unterteilungen oder strukturelle Systeme wie etwa Säulen oder Stützpfeiler zurückgreifen zu müssen. Es handelt sich um eine für die damalige Zeit außerordentlich innovative Lösung, die etablierte Baumodelle übergeht und die große Vorstellungskraft und den technischen Erfindergeist des jungen Gaudí voll unter Beweis stellt.
Die Bleichhalle überrascht durch ihre Schmucklosigkeit und Funktionalität, weit entfernt vom ornamentalen Überschwang, dem Spiel mit historisierenden und naturalistischen Elementen und dem räumlichen Experimentieren späterer Schaffensperioden. Alleinige Protagonisten sind bei diesem Gebäude die Bögen, denen nicht nur eine strukturelle, sondern gleichermaßen auch eine dekorative Rolle zugewiesen wird. Mit seinem Erstlingswerk schafft Gaudí einen Raum von großer Originalität und Modernität, der die Schönheit der konstruktiven Nacktheit unterstreicht, und dies sowohl im Hinblick auf das zum Einsatz gebrachte Material (Holz, Ziegel und Eisen) als auch auf die tragenden Elemente als solche.
Die „Sanitäranlage“
Nur wenige Meter entfernt von der Bleichhalle ist der damalige Latrinenblock erhalten geblieben. Es handelt sich um eine zylindrische Konstruktion, die als die älteste bauliche Intervention des gesamten Genossenschaftsbereichs gelten darf. Der Innenraum unterteilt sich in zwei gleiche Hälften, die über zwei unabhängige Türen zugänglich werden. Diese an sich so bescheidene Baueinheit überrascht durch die formelle Ausbildung ihres Dachbereichs: eine abgesetzte Kuppel, über die eine stetige Erneuerung der Luft möglich wird. Später bringt Gaudí dieses System unter anderem auch bei den Belüftungsschächten der Casa Vicens oder bei den Pferdeställen der Finca Güell zum Einsatz.
In ornamentaler Hinsicht sind die abgestuften Giebel bei Türen und Fenstern und die Verkleidung mit emaillierten Keramikkacheln zu erwähnen, den für Gaudí typischen Dekorationselementen, so wie sie sich bei vielen seiner späteren Werke immer wieder in der einen oder anderen Form wiederholen.
Die Gaudí-Biene
Im Jahr 1884 entwarf Gaudí auch die Standarte der Gesellschaft, ein in der damaligen Zeit durchaus übliches Element, das bei Festen und feierlichen Anlässen gezeigt wurde. Vom Original hat sich nur die das Banner krönende Biene als Symbol für Fleiß und Arbeitsamkeit erhalten, die heute im Museum von Mataró aufbewahrt wird.
ÖFFNUNGSZEITEN
Juni bis 15. September: Dienstag bis Sonntag von 18.00 bis 21.00 Uhr
September bis 14. Juni: Dienstag bis Samstag von 17.00 bis 20.00 Uhr, Sonn- und Feiertage von 11.00 bis 14.00 Uhr
Geschlossen: Montags, 1. und 6. Januar, Karfreitag, 1. Mai, 24. Juni, 27. Juli, 15. August, 11. September, 25. und 26. Dezember