Torre Bellesguard
Das Anwesen, auf dem Gaudí seine Villa Bellesguard errichtet, kann auf eine mehr als zweitausendjährige Geschichte zurückblicken. Die vor Ort gemachten archäologischen Funde beweisen, dass der Bereich seit der Zeit der Iberer ununterbrochen bewohnt war. Die reichen unterirdischen Wasserläufe und der prachtvolle Ausblick auf die Stadt Barcelona lassen Bellesguard zu einem ausgesprochen strategischen Standort werden.
Die eigentliche Bedeutung des Anwesens jedoch liegt bei seiner mittelalterlichen Vergangenheit. Im Jahr 1408 wird Bellesguard zu einer königlichen und päpstlichen Residenz: zwei Jahre lang diente es
König Martin I., genannt der Humane, dem letzten Grafen von Barcelona, als fester Wohnsitz und war dabei auch Zwischenstation für
Gegenpapst Benedikt XIII., dem so genannten „Papa Luna".
MITTELALTERLICHE INSPIRATION
Diese mittelalterliche Vergangenheit als Wohnsitz des letzten katalanischen Königs ist es, von der sich Gaudí inspirieren lässt. Er schafft ein von Symbolismus überschäumendes Bauwerk, angesiedelt auf halbem Weg zwischen Modernisme und Gotik, und erzählt so von Martins Leben, von den Geschehnissen seiner letzten Lebensjahre und vom Unheil, das ihn und sein Land überkam, als er kinderlos den Tod fand.
Das von Jaume Figueras in Auftrag gegebene Projekt umfasste nicht allein den Bau der Villa, es beinhaltete darüber hinaus auch die Realisierung eines umfassenden monumentalen Ensembles mit dem Wiederaufbau der das Grundstück umgebenden Mauern, der Restaurierung und Konsolidierung der Reste des ehemaligen mittelalterlichen Palasts und der Anlage eines Viadukts, wobei letzterer Gaudí zu seinen Experimenten im Zusammenhang mit dem Säulenportikus anregte, so wie er schließlich seinen tatsächlichen Höhepunkt in Gestalt des Portikus der Waschfrau im Park Güell gefunden hat.
SCHIEFER UND MOSAIK-EINLAGEN
Die Außenmauern der Villa Bellesguard sind mit Schiefergestein verkleidet, so wie es unmittelbar in der umliegenden Gegend gewonnen wird. Wie immer folgt Gaudí hierbei seinem Prinzip, die Geologie und Topografie des zu bebauenden Geländes eingehend zu untersuchen und entsprechend zu nutzen. Dieses in Grün-, Grau- und Beige-Tönen applizierte Gestein verleiht dem Gebäude einen markant mittelalterlichen Aspekt und erlaubt die vielfältigsten Lichtspiele, dank derer die Villa an Sonnentagen ganz anders aufleuchtet als an Tagen mit grauem Regenhimmel.
Diese Bellesguard umkleidende Schieferhaut und die Verwendung von Mosaik-Einlagen zur Hervorhebung von Türen und Fenstern sind Techniken, die Gaudí bewusst zur Unterbrechung einer gewissen Linearität zum Einsatz brachte, so wie sie ihm vorgegeben war durch die Zinnen und die allgemeinen Linien des Hauses, das sich zu Ehren des Königs als ein Schloss mit gotischen Reminiszenzen darbieten sollte.
VON GAUDÍ EINGEFÜHRTE NEUERUNGEN
Bei diesem Projekt verwirklicht Gaudí einige vollkommen neue Elemente, so etwa das zentral an der Hauptfassade angeordnete Rosettenfenster. Diese auch als „Venusstern“ bekannte Rosette stellt ein einmaliges Beispiel eines dreidimensionalen Buntglasfensters dar. Die zum Einsatz gebrachten symbolischen Bezüge unterstreichen die historischen Kenntnisse des Architekten, ebenso aber auch seinen Willen, einen Dialog zwischen der Gegenwart (der Villa) und der Vergangenheit (den mittelalterlichen Ruinen) herzustellen, indem er als Mann der katalanischen Renaixença, der er war, die jeweiligen Zugänge einander gegenüberstellt.
Gleichzeitig wird offensichtlich, wie sich Gaudí bei diesem Bellesguard-Projekt selbst neu interpretiert. Zu beobachten ist so eine Vielzahl von strukturellen, konstruktiven und dekorativen Lösungen, die bereits in früheren Werken Verwendung gefunden haben oder bald schon bei anderen in der wohl fruchtbarsten Epoche seines beruflichen Schaffens zwischen 1900 und 1910 entstandenen Bauten in Erscheinung treten.
Zu nennen wären hier als wichtigste Beispiele etwa das Untergeschoss mit seinen wuchtigen Säulen und Gewölben, die eindeutig an das Güell-Palais erinnern; die typische Gaudí-Fiale mit ihrem vierarmigen Kreuz und hier zusätzlich mit einer Krone und einer spiralförmig ausgeführten katalanischen Flagge als klarer Verweis auf die königliche Vergangenheit des Anwesens; oder die Einplanung eines beeindruckenden, als Musiksalon vorgesehenen Dachgeschosses, das an das Hauptschiff der Sagrada Família denken lässt.
PRÄCHTIGER AUSBLICK
Im oberen Terrassenbereich sieht Gaudí einen Wachgang vor, der sich über die vier Fassaden hin zieht und einen prächtigen Ausblick auf die Stadt eröffnet, sodass der Name Bellesguard, auf Deutsch „Schöner Ausblick“, voll gerechtfertigt ist.
Bellesguard ist also ein von Gaudí errichtetes Schloss, das von einem großen Drachen bewacht und behütet wird. Es ist der Drache von Bellesguard, der Zeugnis ablegt von der Flüchtigkeit alles Zeitlichen und vom stetigen Wandel der Dinge.
ÖFFNUNGSZEITEN
Geöffnet: Dienstag bis Sonntag von 10.00 bis 15.00 Uhr
Geschlossen: 1. und 6. Januar, 25. und 26. Dezember
An allen Sonn- und Feiertagen geöffnet.
ÖFFENTLICHE VERKEHRSMITTEL
Bus: 22, 58, 60, 75, 123, 196.
FGC: Pl. Catalunya - Av. Tibidabo, Av. Tibidabo
STADTRUNDFAHRTEN
Bus Turístic: Blaue Route Tibidabo
Barcelona City Tour: Route Ost Tibidabo
Tramvia Blau: Av. Tibidabo. Pl. Doctor Andreu
ANGEBOTENE LEISTUNGEN
Audioguides, WC, Getränkeautomat, Boutique und touristische Informationsstelle.
Audioführung: Dienstags bis sonntags. Sechs Sprachen: Katalanisch, Spanisch, Englisch, Französisch, Japanisch und Russisch. 9,00 €
Persönliche Führung: Samstags und sonntags um 11.00 Uhr auf Englisch. Samstags um 12.00 Uhr auf Spanisch. Sonntags um 12.00 Uhr auf Katalanisch.
Nach Vereinbarung auch außerplanmäßige Sonderführungen mit Imbiss oder in anderen Sprachen.
Aktivitäten für Kinder und Schulklassen.
Vermietung von Räumen für spezielle Veranstaltungen.